In unseren alle zwei Wochen stattfindenden Firmenretrospektiven fiel uns auf, dass einige Fragen immer wieder direkt oder indirekt angesprochen wurden:
Die Diskussionen zu diesen Fragen zeigten uns, dass wir zum Teil mit unterschiedlichen Wertevorstellungen an unsere Arbeit gehen. Der „cosee Way“ zu arbeiten – also ein gemeinsames Wertefundament für das ganze Team – war noch nie explizit diskutiert und festgelegt worden. Für unsere tägliche Arbeit war das ein Hindernis. Gemeinsame Werte geben Sicherheit, da sie kontinuierliche Grundsatzdiskussionen vermeiden. Diese Sicherheit wollten wir gerne herstellen.
Die meisten Unternehmen haben den Wert von Werten erkannt. Meist definiert ein Team im Auftrag des Managements diese Werte und stellt sie den Mitarbeitern vor. cosee wollte einen anderen Weg gehen und das Team selbst über seine Werte entscheiden lassen, damit sich die Mitarbeiter mit diesen Werten identifizieren können.
Zum Erarbeiten der Werte haben wir angelehnt an das Konzept der Do-It-Yourself-Team-Values einen Workshop organisiert. Da es sich um ein zentrales Thema handelt, waren alle Mitarbeiter eingeladen.
Damit wir im Workshop direkt loslegen konnten, haben sich alle Teammitglieder anhand dieses Gerüsts vorab Gedanken gemacht:
Finde anhand von jeweils 3-5 realen Beispielen Antworten auf die folgenden Fragen:
Das cosee Management hat zu denselben Fragen ebenfalls eine Einschätzung erarbeitet – genauso wie unsere Partner, mit denen wir in Entwicklungsprojekten zusammenarbeiten.
Im Workshop wollten wir gemeinsam die für uns wichtigsten fünf Werte herausarbeiten. Eine größere Anzahl Werte lässt sich schlechter merken und in der täglichen Arbeit anwenden. Zur Erarbeitung der Werte haben wir in unserem Besprechungsraum ein großes Werte-Board angelegt. An diesem Board hängen in der Waagerechten Post-Its mit den Werten, die das Team ausgewählt hat und in der Senkrechten Post-Its mit den drei Fragen (öfter, seltener, beginnen). Die vorbereiteten Beispiele notierten die Team-Mitglieder ebenfalls auf Post-Its, die dann passend zum Wert-Post-It und zur entsprechenden Frage angeheftet wurden.
Nachdem das Board gefüllt war, hatten wir einen ersten Eindruck, welche Werte uns wichtig und welche weniger wichtig sind. Unter den wichtigen hingen bedeutend mehr Beispiele als unter den unwichtigen. Die Teammitglieder stellten ihre Beispiele vor und das gesamte Team stellte Fragen und diskutierte die Beispiele, um ein gemeinsames Verständnis zu erreichen.
Die Diskussion der Beispiele führte dazu, dass sich langsam Gruppen von Werten ergaben. Die Werte innerhalb dieser Gruppe sind aus Sicht des Teams synonym oder zumindest verwandt (Beispiele: Responsibility, Commitment, Caution oder Initiative, Curiosity, Courage). Nachdem wir alle Post-Its am Board besprochen hatten, ergaben sich aus den anfänglichen 20 Werten sechs Gruppen. Jede Gruppe erhielt per Dot Voting einen einprägsamen Namen.
Eigentlich war das Ziel des Workshops, fünf Werte für cosee zu finden. Am Ende hingen aber sechs Gruppen am Board und eine davon hieß „Enthusiams/ Joyfulness“. Wir waren uns sicher, dass für unsere Arbeit Enthusiasmus und Freude sehr wichtig sind. Es fiel uns aber schwer, sinnvolle Beispiele dafür zu finden – zumindest keine, die wir nicht schon bei anderen Werten gefunden hätten. Langsam bildete sich die Erkenntnis, dass Enthusiasmus und Freude sich durch die tägliche Praxis der anderen Werte ergeben. So hatten wir auch das Problem mit der Anzahl der Werte gelöst: cosee bekam fünf Werte und einen „querliegenden Metawert“. 😉
Eine besonders lange Diskussion gab es im Team über die Frage, wie wir zur „richtigen“ Software-Lösung kommen. In der zugehörigen Spalte auf dem Board waren die folgenden Werte durch das Team gruppiert worden:
Wie behalte ich aber die Kosten im Auge? Woran erkenne ich die beste/ einfachste Lösung (wiederholbar und ohne Interpretationsspielraum)? Wie sieht eine pragmatische Lösung aus? Darüber gab es unter den Entwicklern sehr unterschiedliche Meinung. Wie können wir diese Punkte so konkret definieren, dass alle Entwickler dasselbe darunter verstehen und neue Team-Mitglieder sofort leicht in den „cosee Way“ hineinfinden?
Wir haben uns darauf geeinigt, dass das „Innere“ der Software jedem selbst überlassen bleibt. Jeder Entwickler kann für sich entscheiden, wie er ein Problem löst. Das Ergebnis muss die fachlichen Anforderungen erfüllen. Um die gewünschte Qualität sicherzustellen, prüfen wir den Code gegen unsere Definition of Done. Damit diese Prüfung nicht wieder Interpretationsspielraum bietet, soll sie so weit wie möglich automatisiert werden. Die konkrete Ausarbeitung der Definition of Done haben wir im selben Workshop begonnen. Ich werde separat darüber berichten.
Unser Entwicklerteam hat in einem sehr produktiven Workshop seine Werte selbst erarbeitet. Obwohl die Erfahrungen aus den Firmenretrospektiven es nicht vermuten ließen, konvergierten die Wertevorstellungen der Teammitglieder (und sogar des Managements) relativ stark. Einzig in der Frage wie richtige Software-Entwicklung aussieht, gab es sehr intensive Diskussionen. Wir haben diese Frage in eine automatisiert prüfbare Definition of Done ausgelagert.
Einer unserer Entwickler fragte zu Beginn des Workshops, was wir denn mit den Werten machen, wenn wir sie dann haben. Der Workshop hat eine gute Basis für unsere weitere Arbeit geschaffen. Wir müssen die gefundenen Werte nun in unserer täglichen Arbeit, unsere Bewerber-Interviews, Stellenausschreibungen, Retrospektiven etc. etablieren.
Die Kombination der beiden Themen „Werte“ und „Definition of Done“ war für einen Halbtages-Workshop definitiv zu viel. Wir haben alle gemerkt, wie uns gegen Ende die Kraft ausging. In Zukunft wollen wir uns nicht wieder zwei so große Themen auf einmal vornehmen.