Mit einem Fragebogen zu mehr Resilienz

Lesezeit: 7 Min, veröffentlicht am 01.10.2024
Mit einem Fragebogen zu mehr Resilienz

Motivation

Jeder Mensch wird im Laufe seines Lebens mit schwierigen Situationen konfrontiert. In seltenen Fällen stehen plötzlich nahezu alle Menschen gleichzeitig vor herausfordernden Zeiten – eine solche Ausnahmesituation war die Corona-Pandemie.

Die Folgen dieser ungewöhnlichen Belastung bemerkten wir auch unter uns coseeanern: Ängste und Verunsicherung nahmen zu. Viele fühlten sich der Situation ausgeliefert, die eigenen Ziele schienen auf einmal schwerer erreichbar zu sein, weil wertvolle Ressourcen wie stützende soziale Kontakte, Sport, Veranstaltungen usw. aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen nur eingeschränkt verfügbar waren. In einzelnen Fällen kam es aufgrund weggebrochener Arbeits- und Alltagsroutinen zum Verlust der Tagesstruktur und schließlich auch zu Schlafstörungen, einem Vorboten vieler psychischer Belastungen. Insgesamt nahmen die Stressoren, also innere und äußere Reize, die in uns Stress auslösen, für uns alle zu.

Wir Scrum Masterinnen fragten uns: Wie können wir alle coseeaner dabei unterstützen, gestärkt diese und zukünftige Herausforderungen zu bewältigen? Womit können wir ihnen helfen, widerstandsfähiger und gesünder durch stressige Phase zu gehen? Auch außerhalb einer Pandemie.

Nach einiger Recherche haben wir festgestellt, dass das Konzept der Resilienz, also der psychischen Widerstandsfähigkeit, ein guter Ansatz zur Beantwortung unserer Fragen ist. Mit einer Vortragsreihe und Informationsmaterial konnten wir ein grundlegendes Verständnis über Resilienz schaffen. Jedoch ist alles theoretische Wissen wenig hilfreich, wenn es nicht praktisch angewendet werden kann. Uns wurde klar, dass wir ein niederschwelliges Werkzeug brauchen, das unseren coseeanern dabei hilft, ihre individuelle Resilienz zu verstehen, um sie gezielt stärken zu können. Der Resilienz-Fragebogen ist als solches Werkzeug entstanden.

Mit diesem Blogpost möchten wir unser Wissen und unsere Arbeit mit dir teilen und dir dabei helfen, das Konzept der Resilienz zu verstehen. Außerdem stellen wir dir unseren Resilienz-Fragebogen als Inspiration zur Verfügung. Dadurch bekommst du einen Eindruck, wie man Tools dazu nutzen kann, um in schwierige Situationen besser zu erkennen, wie und warum diese belastend sind und somit frühzeitig, wenn notwendig, Hilfe zu suchen, um die psychische und physische Gesundheit zu schützen.

Resilienz - Was ist das eigentlich?

Im Allgemeinen wird unter Resilienz die Fähigkeit eines Individuums verstanden, Herausforderungen, Stress oder Widrigkeiten zu bewältigen und trotzdem in der Lage zu sein, sich zu erholen und sich anzupassen.

Es geht also um die Fähigkeit, Schwierigkeiten zu überwinden, ohne dabei langfristige Schäden an der psychischen oder physischen Gesundheit (Überlastung, Hilflosigkeit, Müdigkeit, Schlafstörungen, Burnout etc.) zu erleiden. 

Resilienz ist nicht nur für den Umgang mit Schwierigkeiten von Bedeutung, sondern auch für die persönliche Entwicklung und das individuelle Wachstum. Indem man sich Herausforderungen stellt und lernt, mit ihnen umzugehen, kann man die eigenen Fähigkeiten und Stärken weiterentwickeln und auf lange Sicht ein höheres Maß an Wohlbefinden und psychischer Gesundheit erreichen. Stressige Situationen können einem also entweder schaden oder helfen, besser zu werden – abhängig davon, wie wir diesen Situationen begegnen.

Im Arbeitskontext ist Resilienz besonders wichtig, da sie dabei hilft, mit Druck und Veränderungen umzugehen. Bei der Arbeit kann es schon mal stressig sein, und ein Mangel an Resilienz kann zu schlechten Leistungen und geringer Motivation führen. Resilienz kann dazu beitragen, dass man besser in der Lage ist, mit den täglichen Anforderungen fertigzuwerden und die eignen Aufgaben effektiver zu erledigen. Sie macht einen widerstandfähiger und gesünder.

Bin ich resilient? Und wenn ja, wie sehr?

Es gibt nur ein Problem: Niemand kennt die eigene Resilienz genau. Man erfährt sie in der Regel erst, wenn man sich bereits in einer schwierigen Situation befindet. Denn Resilienz ist ein komplexes Konzept, das verschiedene Faktoren umfasst, wie z.B. psychologische, emotionale und soziale Faktoren, die helfen können, mit Stressoren umzugehen. Es ist also gar nicht so einfach, herauszufinden, bei welchen Ressourcen gerade ein Defizit vorhanden ist. Zumindest haben wir diese Beobachtung bei uns coseeanern machen können: Irgendetwas fühlt sich für sie nicht richtig an. Die Arbeit macht ihnen vielleicht plötzlich nicht mehr so viel Spaß, wie noch vor Kurzem. Die Motivation sinkt, dafür steigt die Frustration – aber wir verstehen nicht, woher dieses Gefühl kommt und wie wir damit umgehen können.

Aus diesem Grund haben wir Scrum Masterinnen einen Resilienz-Fragebogen erstellt – ein niedrigschwelliges Tool, das uns coseeanern hilft, unsere Selbstwahrnehmung zu stärken. Der Fragebogen besteht aus Aussagen zu Fähigkeiten und Eigenschaften, die mit Resilienz in Verbindung stehen, welche wir dir kurz vorstellen und an einem Beispiel aus dem Fragebogen verdeutlichen möchten:

  • Sinn: Das Gefühl von einem übergestellten Sinn hilft uns, schwierige Situationen besser zu bewältigen, indem es uns einen Grund gibt, weiterzumachen, um unsere Ziele zu erreichen. Fehlt ein größerer Sinn, fühlen wir uns vielleicht hilflos oder verzweifelt.  

Beispiel: Ich teile die Werte und Visionen meines Teams.

  • Akzeptanz: Wir werden niemals die Kontrolle über alle Aspekte unseres Lebens haben. Wenn wir das akzeptieren, können wir uns auf die Faktoren konzentrieren, auf die wir Einfluss haben. So verschwenden wir unsere Energie nicht auf Aspekte, die außerhalb deines Einflussbereichs liegen. Schlussendlich vermeiden wir, uns in einer negativen Einstellung oder Resignation zu verlieren. 

Beispiel: Veränderungen von Rahmenbedingungen z. B. Teamzusammensetzung belasten mich gar nicht oder nur kurz.

  • Lösungsorientierung: Wir sind handlungsfähiger, wenn wir lösungsorientiert vorgehen und uns auf unsere Stärken konzentrieren – statt unsere Energie auf Schwächen oder Fehlendes zu legen. So suchen wir kreativ und flexibel nach neuen Optionen, um mit Herausforderungen umzugehen. 

Beispiel: Ich denke bei Lösungsvorschlägen nie: »Ja aber… das geht doch nicht!«

  • Optimismus: Optimismus hilft uns, unsere Motivation und Energie aufrechtzuerhalten, wenn wir mit Herausforderungen konfrontiert werden. Die Überzeugung, alle notwendigen Fähigkeiten zu besitzen, führt uns dazu, die Herausforderungen anzugehen und zu bewältigen. Pessimismus hingegen, entmutigt uns schnell oder lässt uns aufgeben, bevor wir überhaupt begonnen haben. 

Beispiel: Ich bin davon überzeugt, dass wir als Team gute Entscheidungen treffen.

  • Verantwortung: Wenn wir Verantwortung für unser Handeln übernehmen, nutzen wir unsere vorhandenen Handlungsspielräume. Wir fokussieren uns auf das, was wir tun können, um die Situation zu verbessern. Indem wir Verantwortung übernehmen, stärken wir unsere Selbstwirksamkeit und legen die Opferrolle ab. 

Beispiel: Mir ist klar, welche Verantwortungen zu meinen Aufgaben gehören und sich somit in meiner grünen Zone befinden.

  • Emotionale Balance: Diese Fähigkeit hilft uns dabei unsere Emotionen zu regulieren. Denn sie erlaubt uns eine “Sowohl-Als-Auch”-Sichtweise auf emotionaler Ebene. Beispielsweise können wir sowohl Anspannung als auch Entspannung wahrnehmen, anstatt uns ausschließlich auf Erstere zu konzentrieren.  

Beispiel: Ich weiß, was ich als emotionalen Ausgleich brauche.

  • Netzwerkgestaltung: Ein starkes soziales Netzwerk bietet uns emotionale Unterstützung, hilft bei der Problemlösung und motiviert uns unsere Ziele zu erreichen. Indem wir Beziehungen zu anderen Menschen pflegen, verbessern die Fähigkeit uns in verschiedenen Situationen anzupassen und Herausforderungen zu bewältigen. 

Beispiel: Ich gehe auf Personen zu und pflege meine Kontakte in meinem Arbeitsumfeld.

  • Zukunftsgestaltung: Indem wir uns Ziele für die Zukunft setzen und diese verfolgen, motivieren wir uns selbst uns auf unsere Fähigkeiten und Stärken konzentrieren. Wir setzen uns mit Schwierigkeiten auseinander, um alternative Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Dies uns dabei unsere Perspektive zu erweitern und unterstützt uns dabei dich aus Herausforderungen und Schwierigkeiten zu lernen und zu wachsen. 

Beispiel: Ich sehe Perspektiven, mich kontinuierlich weiterentwickeln zu können.

Unseren Resilienz-Fragebogen teilen wir an der Stelle gern mit dir. Wir schicken dir den Fragebogen per Mail:

FRAGEBOGEN ANFORDERN

Selbstwahrnehmung im Arbeitsalltag stärken

Der Resilienz-Fragebogen ist für uns coseeaner zu einem wichtigen Bestandteil unserer Arbeit geworden. Er ist für alle frei zugänglich. Es besteht also die Möglichkeit, den Bogen für sich allein auszufüllen oder sich in den Jour Fixes Unterstützung von uns Scrum Masterinnen zu holen. Ein zweiter Blickwinkel von außen kann oft hilfreich sein, um ein tieferes Verständnis aufzubauen: Wir Scrum Masterinnen können über Coachingmethoden dabei helfen, punktuell tiefer in die Selbstbeobachtung zu gehen, und wertvolles Feedback darüber geben, wie sich unser Gegenüber in schwierigen Situationen verhält.

Egal ob alleine oder mit Unterstützung – mit Hilfe des Resilienz-Fragebogens denken wir coseeaner über Bereiche unserer Zusammenarbeit nach, die wir im alltäglichen Denken gar nicht erst berücksichtigt hätten. Die geführte Auseinandersetzung mit uns und unserer Arbeit hat dazu geführt, dass wir unsere Probleme leichter in Worte fassen können und mit dem gewonnenen Verständnis gezielt und frühzeitig an Lösungen arbeiten können – wir werden resilienter. Denn die gute Nachricht ist: Resilienz ist ein dynamischer Prozess, der sich im Laufe des Lebens entwickeln und verändern kann. Es ist also möglich die eigene Resilienz durch gezieltes Training zu verbessern – man muss eben nur begreifen, wo das Problem liegt.

Während der Corona-Pandemie konnten wir beispielsweise feststellen, dass unseren Social Animals der Firma der soziale Austausch und Wissenstransfer mit anderen coseeanern außerhalb ihres eigenen Teams gefehlt hat. Dies hat dazu geführt, dass sie sich bei ihren Aufgaben im Team festgefahren fühlten und ihren Wirkungsgrad nicht mehr sahen. Mit dieser Erkenntnis konnten wir mit diesen Personen Maßnahmen beschließen, die zu einer besseren Vernetzung zu anderen coseeanern geführt haben – in diesem Fall ein stärkeres Einbringen in eine unserer Communities of Practice oder die Rolle des Mentors in anderen Teams. Aber auch nach der Corona-Pandemie hat uns der Resilienz-Fragebogen gute Dienste geleistet. Um ein weiteres Beispiel zu nennen: Ein coseeaner hat mit Hilfe des Fragebogens für sich herausgefunden, dass er eigentlich viel mehr Verantwortung in der eigenen Rolle übernehmen möchte, um sich beruflich weiterzuentwickeln. Da dies in dem ursprünglichen Team-Setup nicht möglich war, haben wir das Setup geändert und eine neue Wachstumsmöglichkeit geschaffen.

Aber es muss nicht unbedingt ein Problem vorliegen, mindestens einmal im Jahr bitten wir alle coseeaner den Resilienz-Fragebogen auszufüllen – um zu schauen, ob in der Zusammenarbeit und der individuellen Entwicklung noch alles passt.

Wenn du noch mehr darüber erfahren möchtest, was wir bei cosee tun, um effektive Zusammenarbeit zu ermöglichen und Probleme möglichst klein zu halten, dann schau dir doch unseren Talk Wir brennen für unsere Aufgabe! Aber bitte nicht ausbrennen! Und nicht die Firma in Brand stecken an.

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Verfasst von:

Foto von Vanessa

Vanessa

Vanessa ist zertifizierte Scrum Masterin bei cosee und Organisatorin des ScrumTisch Darmstadt.