Produkte sind oft zwei- oder mehrseitige Märkte. Sie funktionieren nur richtig, wenn sie zwei Zielgruppen gleichermaßen ansprechen und eine große Menge Nutzer aus diesen beiden Gruppen haben. Ein gängiges Beispiel sind Recruiting-Portale. Ein solches Produkt aufzubauen, ist schwieriger als nur mit einer Zielgruppe. Aber mit einem einfachen Trick klappt es trotzdem reibungslos.
Mit der Identifikation der Zielgruppe beginnt die Arbeit an der Produktstrategie. In der Product Market Fit-Pyramide von Dan Olsen bildet die Zielgruppe die Basis für alle weiteren Schichten. Wenn man unseren Product Vision & Strategy Canvas von links oben nach rechts unten liest, ist der Zielgruppe auch das erste Kästchen gewidmet.
Ein früherer Produkttipp enthielt die Empfehlung, sich am Anfang auf eine Zielgruppe zu konzentrieren und diese Zielgruppe möglichst klein zu machen. Es gibt aber immer wieder Produkte, die zwei Zielgruppen gleichermaßen ansprechen müssen.
Ein Beispiel dafür sind Recruiting-Portale:
Daran sieht man, dass beide Zielgruppen gleichzeitig wachsen müssen und dass das Produkt nur wertvoll ist, wenn ich aus beiden Zielgruppen genügend Benutzer rekrutieren kann. Das ist ein klassisches Henne-Ei-Problem. Nicht wenige (insbesondere junge) Unternehmen und Produkte scheitern an dieser Aufgabe. Dabei lässt sie sich mit einem einfachen Trick auflösen.
Diesen Trick habe ich vor einiger Zeit in einer Folge von Lenny’s Podcast gehört. In dieser Folge ging es um eine Babysittervermittlung. Dabei handelt es sich auch um einen zweiseitigen Markt, weil das Produkt nur funktioniert, wenn ich genügend Eltern und Babysitter habe. Die Babysitter müssen zusätzlich noch über eine gewisse Verlässlichkeit verfügen und das Vertrauen der Eltern erwecken, weil sie ihnen sonst nicht ihre Kinder anvertrauen würden. Genau diesen Aspekt hat sich der Produktanbieter zu Nutze gemacht, um das Henne-Ei-Problem aufzulösen. Er hat zu Beginn aus dem zweiseitigen einen einseitigen Markt gemacht, indem er die Babysitter rekrutiert und kuratiert hat. So waren von Beginn an ausreichend viele potenzielle Babysitter verfügbar, die zudem auch noch auf Herz und Nieren geprüft waren und guten Gewissens an die Eltern vermittelt werden konnten.
Wenn man genauer hinsieht, versteckt sich hier vermutlich auch noch ein Produktprinzip des Produktanbieters. Zwei- oder mehrseitige Märkte haben nämlich außerdem die Herausforderung, dass man in der Produktentwicklung tagtäglich zwischen den Bedürfnissen der beiden Zielgruppen abwägen muss. Dabei hilft ein Produktprinzip. Wenn wir nämlich für dieses Beispiel davon ausgehen, dass die mentale bzw. emotionale Hürde für Eltern größer ist als für Babysitter, können wir mit dem Produktprinzip „Im Zweifel Eltern vor Babysittern“ arbeiten. Tatsächlich wendet eine der großen Recruiting-Plattformen ein solches Produktprinzip an, indem sie Jobsuchende höher priorisiert als Recruiter. Denn bei genügend tollen Kandidaten, kämen die Recruiter schon von allein, so die Überlegung.